Was der Turmknopf erzählt

Was der Turmknopf erzählt

Urkunden aus dem Knopf der Peter-Pauls-Kirche

Am 29. September 1930 wurde bei einer Turmdachreparatur an der Peter-Pauls-Kirche durch Herrn Schieferdeckermeister Bernhard Klitzsch gemeinsam mit seinen Söhnen der Knopf und die Stange mit Hahn und Stern abgenommen. Der Knopf zeigte nur noch sehr geringe Spuren von der im Jahre 1908 erfolgten Vergoldung. Er wurde, da er aus reinem Kupfer hergestellt ist, gereinigt und poliert und dürfte in diesem Zustande der Kirche zu größerer Zierde gereichen als bisher.

Abnahme des Turmknopfes Peter-Pauls-Kirche Beierfeld
Abnahme des Turmknopfes 1930 durch Schieferdeckermeister Bernhard Klitzsch gemeinsam mit seinen vier Söhnen

Gleichzeitig wurde die Stange mit Hahn und Stern gereinigt und lackiert und der Stern neu bronziert. Diese Arbeiten wurden freundlicherweise von den Firmen Nier und Ehmer geleistet. Der Knopf hat einen Durchmesser von reichlich 50cm, was wohl niemand für möglich hält, weil man ihn sich allgemein wohl viel kleiner vorstellt. Die Stange beträgt mit Hahn und Stern knapp 2m.

Mit der Dachreparatur, die sich an der Wetterseite des Turmes sehr nötig gemacht hatte, erhielt die Peter-Pauls-Kirche endlich auch eine Blitzableitungsanlage, deren Fehlen von den hierzu verantwortlichen kirchlichen Korporationen nicht mehr verantwortet werden konnte. Bei dem ungeheuren Holzmaterial, das man nach alter Bauweise im Dachstuhl der alten Kirche ebenso wie auch in der Pfarre verarbeitete, würde ein zündender Blitzstrahl die verhängnisvollsten Folgen haben.

Anbringen der Blitzableitungsanlage an der Peter-Pauls-Kirche

In der Kuppel befand sich eine kleine zylinderförmige Blechkapsel, in welcher auf mehreren Bogen von Pergament bzw. Papier eine ganze Anzahl von Aufzeichnungen geschrieben stehen, die im folgenden nun zur allgemeinen Kenntnis gebracht werden, da sie manches Interessantes enthalten.

Wenn auch keine wesentlichen Neuigkeiten aus den Niederschriften uns zu Teil geworden sind, so sind sie doch außerordentlich interessant als Stimmungsbilder für die betreffende Zeit, in der sie verfaßt wurden; und außerdem bringen sie uns doch noch verschiedene interessante Einzelheiten.

Im folgenden werden zunächst die auf einem großen Blatt Pergament stehenden Aufzeichnungen mitgeteilt, die in der Zeit von 1607 bis 1736 niedergeschrieben sind und in einer kleinen Nachschrift noch eine Bemerkung vom Jahr 1844 tragen.

Älteste Urkunde der Turmkugel der Peter-Pauls-Kirche aus dem Jahr 1662 (Foto: Repro Lobeck)
Älteste Urkunde der Turmkugel der Peter-Pauls-Kirche aus dem Jahr 1662 (Foto: Repro Lobeck)

Auf der Vorderseite des Pergamentblattes steht geschrieben:

Zu gedencken

Anno 1607. Bey Leben undt Regierung des Durchlauchtigsten undt Hochgebohrnen Fürsten undt Herrn, Herrn Christiani Secundj, Herzogen, undt Churfürsten zur Sachsen, Ist die Enge undt gantz baufälliche Kapell zur Beerfeldt mehrersteils abgetragen, undt umb 8 ellen erweittert worden, darzue Ihr. Churfl. Gnaden Bawholz halb auß gnaden, halb umb Bezahlung folgen laßen; Herr Nickol Klinger uff Sachsenfeld hat 200 Fl. an baarem gelde, undt alles Eißenwergk uff 20 wagen gerechnet, verehret. Die andern Unkosten seindt durch die Eingepfarrten Anlagen undt Allmosen so in den Superintendentzen des Churfl. Consistorij zue Dreßden erbethen worden, zuesammen Coligiret werden müßen;

Damahls war Pfarrer zue Beerfeldt Johann Büttner von Leuben, waren Kirchenvorsteher, Michael Walter, undt Hannß Tzscheck, Datum 13. Octobris Anno nach Christi gebuhrt 1607. Michael Walter, Richter zue Beyerfeldt, Paul Babst, Richter zue Bernsbach, Simon Humann, Richter zue Wildenau, Georg Struntz von der Lößnitz, der Zeit Schulmeister undt Gerichtsschreiber zue Beyerfeldt, Hannß Steinel, Bürger undt Schieferdecker von Schneebergk.

Mehr zue gedencken

Anno 1647. Bey Leben undt Regierung des Durchlauchtigsten Hochgebohrnen Fürsten undt Herrn, Herrn Johann Georgen den Ersten, Herzogen undt Churfürsten zue Sachsen, Ist in diese Kirche von Titul. Herrn Veit Dietrich Waagnern, Obersten Lietenant, Churfl. Sächs. wohlbestalter Ambts Hauptmann derer Aembter Schwarzenbergk, Grünhain undt Stolbergk, Erbsaß uff Ober- undt Unter-Sachsenfeldt, Collator des Dorfes Beyerfeldt. Vor sich undt die seinigen zu beßeren andencken undt gedächtnis, Ein Costbahres Orgelwerk sampt der malerey, undt erbawung Eines Neuen Chors; uff seine eigene Unkosten Jedoch Gott, undt seiner Kirchen zur Zierde instauriren undt auffrischen hat laßen.

Das wahrscheinlich älteste Foto der Peter-Pauls-Kirche - links oben ist das 1728 erbaute Gehäuse der Donatiorgel zu sehen
Das wahrscheinlich älteste Foto der Peter-Pauls-Kirche – links oben ist das 1728 erbaute Gehäuse der Donatiorgel zu sehen

Damahls war Magister undt Pfarrer zue Beerfeldt, Georg Mythius von Grim. Kirchenvorsteher Peter Goldhan undt Hannß Humann, Daniel Stiehler, Peter Goldthan, Richter zue Beyerfeldt, Oßwaldt undt Daniel, Richter zue Bernßbach. Nicol Stühler undt Hannß Brügner zue Wildenau. Den 7. Junij Anno nach Christi Geburth Anno 1647.

Anno 1662. Bey Leben undt Regierung des Durchlauchtigsten undt Hochgebohrnen Fürsten undt Herrn, Herrn Johann Georgen den Andern, Herzogen undt Churfürsten zue Sachsen … Ist dieser Kirche Collatur undt Gerichts Herr noch gewesen Titul. Veit Dietdrich Wagner uff Sachsenfeldt undt Beerfeldt, Fürstlicher Durchl. zue Sachsen Altenburgk, hochbestalter Landeshauptmann zue Coburgk. Damahls Pfarrer zue Beyerfeldt Laurentius Georg Mythius, wahren Kirchen Vorsteher Hannß Stiehler undt Hannß Humann, Hannß Hännel junior, Richter zue Bernßbach, Hannß Brügner, Richter zue Wildenaw.

Bey Abnehmung undt Rennovierung des Knops ist zum Zeugnis undt andencken obige Schrift nebenst diesen wiederumb erneuert worden, war der 5. Februarij, Anno nach Christi gebuhrt des Eintausend Schs Hundert undt Zweey undt Sächzigsten Jahrs, Andreaß Weigel von Grünstädtel, Schuelmeister zue Beyerfeldt, GottFriedt wenntzel, Veit wenntzel, Brüder, Schieferdecker von Augustusburgk.


Auf der Rückseite dieses Pergamentblattes steht:

Im Jahr nach unsers Erlösers Geburth 1689 mense Septembrj. Bey Regierung des Durchlauchtigsten Churfürsten, Hertzog Johann Georg III. welcher zu dieser Zeit, nebst dero Durchl. beiden Printzen Johann Georg IV. und Friederico Augusto sambt denen Hohen Allijirten die Stadt Mayntz aus der Tyrannischen Franzosen barbarischen Händen wieder gerießen und erobert, da kurtz zuvor der Französische Mordbrenner Duras mit seiner unterhabenden Armee alles, was Er das vorige Jahr im Heydelbergischen nicht ruiniret nebst dem Baaden-Durlachischen biß an Offenburg verbrennet undt verheeret der Marschal de la Humiers von dem Holländischen General, dem Fürsten von Waldeck bey Malcourt immittelst geschlagen worden), Herrn M. Christian Lehmanns, Superintend zu St. Annaberg, Frau Annen Dorotheen Feuerleinin, Collatricin, M. Tobias Schmidts, Pastoris I., ist nebst dem Gottesacker dieser Kirchturm ausgebeßert und auffs Johann Huhmanns und seines Eheweibes Koste, der Knopf renoviret und vergöldet worden.

den 14. Septembr. – Die beiden Schuldiener Andreas Weigel, Schulmstr. Michael Günther, dessen Substit. M. Johann Steinel, Schiefferdecker von Schneeberg, und M. Siemon Lutzsch von Rudolphstadt.

Zwischen diesem Datum (14. September) (links) und diesen 4 Unterschriften (rechts) ist noch mit anderer Schrift, jedenfalls aus späterer Zeit folgende Inschrift eingefügt:

Eben zu dieser Zeit ist der Röm. Keyserl. Majest. Erbprinz gekrönter König in Ungarn, Josephij zum Röm. Könige zu Augsburg erwehlet, die Pfalz-Neuburgische Prinzessin an den Verwittebten König in Spanien vermählet und der Pabst zu Rom aus dieser Welt gefordert worden.


Es folgt auf der 2. unteren Hälfte dieses Pergaments folgende Schrift:

Im Nahmen Gottes!

D. 8. Junij Anno 1736 Vormittags um XI Uhr hat der gerechte aber auch barmhertzige Gott in hiesigen Gottes Hauß dey entstandenem schwehren Ungewitter durch einen zwiefachen gantz erschröckl. Donnerschlag durch den Knopf, Spindel, Dachboden in die Kirche und Sacristey, jedoch Gott sey ewig gelobet! ohne Zündung eingeschlagen, worauf eine unumgängliche Reparatur des Knopfs, Thurms, Kirchdaches und der Kirchen hat vorgenommen werden müssen; zugleicher Zeit ist auch die Vereinigung beyder Kirchhöfe mit einander geschehen.

Zu solcher Zeit dieser Reparatur haben gelebet: Unser allertheuerster Landes Vater und Herr: Herr Fridericus Augustus III. König in Pohlen und Churfürst zu Sachsen; Collator hiesiger Kirchen: Herr Heinrich Wilhelm, Graf zu Sollms und Tecklenburg, Herr zu Müntzenberg, Bieliz (allwo Sie sonderl. residiret) Wildenfelß und Sonnenwalde, Erb-, Lehn- und Gerichtsherr auf Ober-Sachsenfeldt; Superintendens in Annaberg, Herr D. Paulus Gottlieb Hoffmann; Gerichts-Director des Haußes Ober-Sachsenfeldt, Herr Carl Heinrich Blüher von Schneeberg; Ambt Mann in Grünhayn, Herr Johann Friedrich Gottlob Rebentisch, Pastor allhier Herr Samuel Bielinsky von Grimma; Ludimoderator Christian Tag von Langenreinsdorf; Richter allhier Herr Gottfried Dietrich; Richter in Wildenau Herr Gottfried Heinrich Andrae; Richter in Sachsenfeld Herr George Bretschneider; Kirchrechnungsführer Herr David Graff, Kirch Väter Herr David Ficker, Herr Gottfried Stiehler; Gerichts-Beysitzer allhier Christoph Epperlein, Mstr. Gottfried Stiehler, Herr Gottfried Richter jun.; in Wildenau Abraham Stiehler, Johann Jäger; Gemeinde Vorsteher Johann Gottfried Oeßer, David Hänel; in Wildenau Johann Heinrich Weigel, Schieferdecker von Lößnitz Herr Gottfried Thümer.


Auf einem Bogen Haderpapier steht folgendes:

Im Namen Gottes!

Im Jahre nach der Geburt des Welt Erlösers 1808 unter der Regierung des Allerdurchlauchtigsten und Des mächtigsten Fürsten und Herrn, Herrn Friedrich Augusts, Königs von Sachsen und Herzogs zu Warschau, und dem zweiten Jahre der Erhebung der Sächsischen Lande zu einem Königreiche, wurde wegen Baufälligkeit am hiesigen Kirchthurme eine abermalige Reparatur vorgenommen, die gesenkte Spindel wieder aufgerichtet, und Knopf, Hahn und Stern an derselben vergoldet.

Peter-Pauls-Kirche um 1920
Peter-Pauls-Kirche um 1920

Zur Zeit dieser Reparatur haben gelebet:
1. Der hochgeborne Graf und Herr, Herr Heinrich Ludwig, des heil. römisch. Reichs Graf zu Solms und Tecklenburg, Herr zu Münzenberg und Sonnenwalde, Erb- Lehn- und Gerichtsherr auf Beyerfeld und Sachsenfeld, und hiesiger Kirche Collator* nebst Dero Frau Gemahlin, Frau Ernestina Charlotta Ottilia, Reichsgräfin zu Solms, geborne Baronessin von Müller.
2. T. Herr Christian Wilhelm Reich, Königl. Sächs. Accis-Inspektor** zu Schwarzenberg und Hochgräfl. Solms Gerichts-Director allhier.
3. T. Herr Christian Gottlob Kempe, Königl. Sächs. Justizamtmann zu Grünhayn.
4. Herr August Friedrich Blüher, verordneter Pfarrer allhier.
5. Christian Gottlob Tag, verordneter Schullehrer, Organist und Geschichtsschreiber allhier.
6. Herr Christoph Friedrich Seidel, verpflichteter Kirchenvorsteher.

Die Gerichten zu Beyerfeld waren:
Herr Christian Heinrich Stegert, Richter.
Herr Johann Heinrich Schuster, Gerichtsbeysitzer.
Herr Christian Friedrich Eichelberger.
Herr Carl Heinrich Goldhan.
Herr Johann Gottlob Graupner.
Herr Christian Friedrich Fröhlich.
Heinrich Gottlob Eichelberger, Kommunvorsteher.
Enoc Heinrich Hecker.

Die Gerichten zu Sachsenfeld:
Herr Christian Heinrich Lauckner, Richter.
Mstr. Johann Gottlieb Epperlein, Gerichtsbeysitzer.
Mstr. Carl Gottfried Epperlein.

Die Gerichten zu Wildenau:
Herr Christian Heinrich Neubert, Richter.
Herr Gottfried Stieler, Gerichtsbeysitzer.
Herr Johann Gotthardt Humann.

Ferner:
a) Tit. Herr Christian Friedrich Köhler, Besitzer des hiesigen Vitriol- und Schwefelwerks
b) Herr Carl Friedrich Andrae, Erb-, Lehn- und Gerichtsherr in Unter-Sachsenfeld
Christian Gottlob Ficker, Kirchvater
Carl Gotthilf Seidel
Herr Christoph Gottlob Siegmund Meeckel, Schieferdecker aus Elterlein

Der damalige Zeitpunkt in religiöser Hinsicht war zum Theil nicht der beste: Unseelige Freygeisterei, Unglaube und Gleichgültigkeit gegen die Religion hatte bey einem großen Theile der Menschen überhand genommen; doch aber zeichneten sich hiesige Gemeinden noch immer im ganzen genommen, auf eine rühmliche Weise aus, und Hochachtung und Ehrfurcht gegen die Religion, gegen Gott und sein Wort wohnte noch in den Herzen der meisten hiesigen Gemeindeglieder.

In politischer Hinsicht war der damalige Zeitpunkt nicht weniger traurig: Eine von den Jahren von 1798 bis 1806 anhaltende Theuerung, welche im Jahre 1805 so groß war, daß der Dresdner Scheffel Korn 11 bis 12 Thlr. – Hafer 3½ bis 4 Thlr. – der Scheffel Erdäpfel 2½ Thlr. – ein Brod a 6 Pfd. 12 ngr. – die Kanne Butter 1 Thlr. 4 gr. galt, hatte unsägliche Noth über das ganze hiesige Gebirge verbreitet und ein beträchtlicher Theil der hiesigen Gebirgsbewohner würde wahrscheinlich dem Hungertode nicht entgangen seyn, wenn nicht fast aus allen Gegenden des Landes Wohlthaten und Unterstützung in großer Menge angekommen wären, die man weit über 45.000 Thlr. und an Naturalien über 2800 Scheffel angegeben hat.

Nun fiengen die Preiße an etwas zu fallen, dagegen brach im Jahre 1806 ein Krieg zwischen Frankreich und Preußen, letzteres mit Sachsen alliiert, aus und verbreitete neues Elend in vielen Gegenden. Dieser Krieg dauerte nur wenig Monate, jedoch hatte das Land gegen 16 Millionen Kriegssteuer und eine bedeutende Ausgleichungssteuer wegen der ununterbrochenen starken Durchmärsche und Einquartierungen zu ertragen. Hierzu kam noch ein sehr großer Verfall der Nahrung, der durch die gänzliche Ländersperre und plötzlichen Verfall der bisher in großer Menge gangbaren ausländischen Münzsorten veranlasst wurde, sodaß ietzo ein großer Teil der hiesigen Gebirgsbewohner mit Noth und Elend zu kämpfen haben.

Der große Jehovah***, der Erhalter der Welten, der in der Höhe wohnet, nehme sich unser väterlich an, er gebe, daß unter uns allen Glaube, Liebe, Treue und Gottesfurcht wohnen möge, er beschütze unsern Tempel, er beschütze uns und unsre Wohnungen und sein Segen fließe beglückend herab auf unsre Gemeinden!

Beyerfeld, am Tage der Aufsetzung des Turmknopfs, den 19. April 1808.


Auf einem Bogen Kartonpapier steht:

Am 24. Febr. 1844 ward von einem grausenhaften Sturme die Spindel mit Knopf und Hahn ganz auf die Seite gedrückt, und drohte herabzustürzen. Bei der Abnahme ergab sich, daß die Helmstange von Fäulnis so angegriffen war, daß eine neue notwendig ward. Die Reparatur ward von dem Zimmermeister Nicolaus Ernst in Beyerfeld und von dem Schieferdecker Herrn Kunstmann in Grünhain besorgt. Knopf, Hahn und Stern sind von dem Tischlermeister Karl Heinrich Hecker in Beyerfeld vergoldet worden. Die Kosten an 70 Th. trug das Kirchenvermögen.

Peter-Pauls-Kirche um 1920
Peter-Pauls-Kirche um 1920

Zur Zeit der Reparatur war:
König von Sachsen: Friedrich August, der als Mitregent mit dem im Jahre 1836 verstorbenen König Anton am 4. September 1831 dem Vaterland eine neue Verfassung gab. Jetzt auf der Reise nach England und Schottland.

Besitzer des Ritterguthes Sachsenfeld und Collator*: Herr Carl Meinert, Kaufmann in Oelsnitz bei Lichtenstein, der dasselbe im Jahre 1840 von dem Herrn Ludwig Freiherr von Müller erkaufte.

Gerichtsdirektor: Herr Victor Weiske, geb. in Erlbach bei Chemnitz.

Amtmann in Grünhain: Herr Christian Gottfried Philippi.

Pfarrer: Gottfried Heinrich Friedrich, geb. 1791 in Beyerfeld, seit d. 1. Januar 1822 Pfarrer.

Die Schullehrer in der Parochie**** sind
a) in Beyerfeld: Herr Johann Karl Seyfert, prädicirter Cantor, geb 1791 in Olbernhau.
b) in Sachsenfeld: Herr Maximilian Rotth aus Annaberg.
c) in Wildenau: Herr Christian Heinrich Ficker Beierfeld.
d) in Neuwelt: Herr Johann Christian Kopfer aus Schneeberg.

Kirchenvorsteher: Herr Karl Heinrich Georgi in Beyerfeld.

Gemeindevorstände:
a) in Beyerfeld: Herr Ernst Friedrich.
b) in Sachsenfeld: Herr Christian Friedrich Rau.
c) in Wildenau: Mstr. Karl Theil.
d) in Neuwelt: Mstr. Ferdinand Gehlert.

Besitzer des Hammerguthes Untersachsenfeld: Herr Karl Friedrich.
Besitzer der Silberhoffnung: Herr Friedrich Koehler.
Inhaber der Löffelfabrik: Herr Ernst August Friedrich; Firma: Friedrich u. Söhne.

Richter waren:
1. in Beyerfeld: Herr Karl Heinrich Georgi.
2. in Sachsenfeld: Herr Christian Gottlob Riedel.
3. in Wildenau: Herr Gotthold Fischer
4. in Neuwelt: Herr Christian Gottlieb Salzer.
5. in Untersachsenfeld: Herr Friedrich Georgi.

Peter-Pauls-Kirche um 1920
Peter-Pauls-Kirche um 1920

Seit der Entthronung des französischen Kaisers Napoleon i. J. 1815 hat Teutschland Frieden gehabt. Die Teutschen Fürsten sind in einen innigen Bund getreten, der durch den Zollverein im Jahre 1834 ein neues Band erhielt.

Denkwürdig aus der Vergangenheit sind die schrecklichen Kriegsjahre 1812, 1813,1814. Die Jahre des Mißwachses und der Theurung 1816. Die Jahre Wohlfeilheit 1824 bis 1826. Das beispiellos dürre Jahr 1842, wo die sogenannten Hungersteine vom Jahre 1640 im Elbstrom zum Vorschein kamen. Das durch traurigen Stillstand aller Gewerbe und durch Theurung denkwürdige Jahr 1843. Das Jahr 1844 hat sich durch furchtbare Schneemassen von 4 und 5 Ellen ausgezeichnet. Mit dem Eintritt des Frühjahrs hat sich ein regeres Leben im Handel und Gewerbe kund gegeben. Der Preis des Korns, das im Junij 1843 7 Thlr. galt, ist jetzt bis auf 3 Thlr. herabgegangen.

In religiöser Hinsicht ist unsre Zeit merkwürdig: In der evangel. protestantischen Kirche hat sich einerseits Freigeisterey, Unglaube, ein Geist der Gleichgültigkeit und der Lauheit besonders unter den höheren Ständen kund gegeben; andererseits hat man das Heil der lutherischen Kirche zu finden gemeint in Frömmelei, von welcher auch Sachsen nicht frei blieb, also daß unter einem berüchtigten Prediger Stephan aus Dresden mehrere Geistliche aus dem Muldenthale und viele Hundert nach St. Louis in Nordamerika ausgewanderten, aber schrecklich betrogen von ihrem Führer in Elend zurückkamen oder umkamen. Die hiesige Gemeinde hat sich dem Himmel sey Dank von solchen Verirrungen freigehalten. Die katholische Kirche ist jetzt unduldsamer. Sie verfolgt unsre protestantischen Glaubensgenossen in kathol. Ländern. Um diese zu unterstützen, hat sich im protestantischen Teutschland ein Verein gebildet, Gustav-Adolph-Stiftung genannt, der es sich zur Aufgabe macht, das Licht des Evangelismus auch in katholischen Ländern nicht untergehen zu lassen. Gott erhalte unserm Vaterlande und unserer Kirchgemeinde das reine Licht des Evangelismus. Er schirme und behüte unser Gotteshaus! Er erhalte unserm Orte seine Gewerbsquellen. Ja Gott behüte und segne Dich, mein Beyerfeld.

Geschrieben am 24. Juniy 1844, dem Tage, wo der Knopf aufgesetzt ward vom Pfarrer Friedrich.


Auf der 2. unteren Hälfte des im Teil 1 genannten Pergaments steht noch:

Den 24. Febr. 1844 ist bei einem schrecklichen Sturme, die Spindel mit dem Knopfe ganz auf die Seite gebogen und d. 28. Febr. d. anno von dem Schieferdeckermeister Kunstmann aus Grünhain abgenommen worden. Die Helmstange ward von Fäulniß angegangen, und es mußte eine neue eingezogen werden.

Bemerkt von Pfarrer Gottfried Heinrich Friedrich, P.

Im Namen Gottes!

Am 2. Juni 1883 wurde der Turmknopf von dem Schieferdecker Carl Richert jun. von hier abgenommen und dem Tischlermeister Baumann hier zur Neuvergoldung übergeben.

Zu dieser Zeit war:
König von Sachsen: Albert, der im Jahre 1873 den Thron bestieg.
Deutscher Kaiser: der greise in das 87. Lebensjahr gehende König Wilhelm von Preußen.
Collator: E. W. Möbius, Rittergutsbesitzer in Sachsenfeld.
Die Kircheninspektion: Superintendent Roth in Schneeberg und Amtshauptmann Freiherr von Wirsing in Schwarzenberg.
Pfarrer: Curt Bernhard Seidel geb. 1850 in der Stadt Mittweida, seit dem 4. Dezember 1881 Pfarrer, vorher Pfarrer in Carlsfeld.

Den Kirchenvorstand bilden die Herren:
Der Pfarrer Seidel, Vorsitzender.
Fabrikant Ed. Wußing in Obersachsenfeld, stellv. Vorsitzender.
Kirchschullehrer Brückner in Beierfeld, Protokollant.
Gutsbesitzer Bernh. Friedrich in Beierfeld, Kirchrechnungsführer.
Kaufmann Ernst Friedrich in Beierfeld.
Kaufmann Emil Friedrich in Beierfeld.
Schmiedemeister Christ. Espig, Beierfeld.
Löffelarbeiter Ernst Stiehler, Beierfeld.
Schmiedemeister Ernst Göthel in Obersachsenfeld.
Gemeindevorst. Bernh. Stiehler in Wildenau.
Gutsbesitzer August Trommler in Wildenau.
Aug. Hoy in Neuwelt.
Wilh. Hoy in Neuwelt.
Fabrikant M. Hellinger in Untersachsenfeld, exemtes Mitglied.

Die Schullehrer der Parochie sind:
Theod. Brückner, Kirchschullehrer in Beierfeld.
D. Böhm in Beierfeld.
P. Küchler in Obersachsenfeld.
A. Wauer in Wildenau.
Berthold in Neuwelt.

Die Vertreter der politischen Gemeinden in der Parochie sind:
von Beierfeld:
G. H. Hecker, Gemeindevorstand, F. A. Tuchscherer., 1. Gemeindeältester, E. F. Stiehler, 2. Gemeindeältester, H. E. Friedrich, C. W. Rudolph, D. A. Hofmann, L. A. Hofmann, L. H. Seidel, C. F. Schmidt, C. F. Ficker, C. F. A. Epperlein, H. L. Dedores, E. F. Weber. Ferner: C. F. Lauckner, Orts- und Friedensrichter.

von Obersachsenfeld:
Eduard Wußing, Gemeindevorst. und Friedensrichter, G. Kircheis, Gemeindeältester, L. Epperlein, C. Höfer, E. Ficker sen., E. Ficker jun., E. Göthel, A. Weißflog; ferner: F. Richter, Ortsrichter;

von Wildenau:
Bernh. Stiehler, Gemeindevorstand, Orts- und Friedensrichter, D. Dehnel, Gemeindeältester, G. Hecker, E. Zweigler, A. Trommler, C. Heber, W. Stiehler;

von Neuwelt:
A. Epperlein, Gemeindevorstand und Ortsrichter, A. Reinwart, Gemeindeältester, I. Oehm, C. Höfer, A. Gehlert, H. Schönfelder, ferner: Ed.Wußing in Obersachsenfeld, Friedensrichter, Standesbeamter: M. G. Leßmüller in Beierfeld.

Von den Erwerbsverhältnissen in der Parochie ist zu erwähnen, daß der Bergbau jetzt fast ganz darniederliegt und auch die Fabrikation der geschmiedeten Löffel im Abnehmen begriffen ist, da letztere durch die auch anderwärts fabricirten Blechlöffel mehr und mehr verdrängt werden.

Das Originaldokument aus dem Jahr 1883 (Foto: Repro Lobeck)
Das Originaldokument aus dem Jahr 1883 (Foto: Repro Lobeck)

Die 1873 gebaute Eisenhütte in Obersachsenfeld beschäftigt 120 Arbeiter. Die Holzstoff- und Pappenfabrik des Herrn Ed. Wußing in Obersachsenfeld 35 und die Preßspanfabrik des Herrn M. Hellinger in Untersachsenfeld 50 Arbeiter. (Die erwähnte Eisenhütte gehört einer belgischen Actiengesellschaft).

Im Uebrigen sind die Erwerbsverhältnisse günstig.

Aus der Zeitgeschichte ist zu erwähnen:

Im Jahre 1848 hatte sich die von Frankreich ausgehende Revolution auch nach Deutschland ausgebreitet. Das Verlangen nach einem einigen Deutschland, welches damals laut wurde, sollte im Jahre 1871 in glänzender Weise in Erfüllung gehen. Nach den Kriegen der Jahre 1864, 1866 und vor allem nach dem ruhmreichen Kriege gegen Frankreich 1870-1871 erhielt das geeinigte Deutschland ein Oberhaupt in der Person des am 18. Januar 1871 proklamierten* Kaisers Wilhelm. Unter dem mächtigen Schutze seines Kaisers, dem der Reichskanzler Fürst Bismarck treu zur Seite steht, hat sich das deutsche Reich zur ersten Macht in Europa erhoben, und ist auch in der inneren Politik in reger Entwicklung begriffen. Hoffentlich gelingt es durch eine weise vom Geiste des Christentums durchdrungene Gesetzgebung auch die Unzufriedenheit, welche sich, genährt durch die Hetzereien gewissenloser Agitatoren ganzer Bevölkerungsklassen bemächtigt hat, je mehr und mehr zu beschwichtigen.

Was die religiösen Verhältnisse angeht, so macht sich erfreulicher Weise wieder ein Kirchlicher Zug geltend. In diesem Jahre soll auch der 400jährige Geburtstag Dr. Martin Luther’s festlich begangen und an diesem Feste von der hiesigen Gemeinde zum ersten Male das neue Landesgesangbuch in Gebrauch genommen werden. Möge der Geist Luthers, der ein echter Deutscher und ein echter Christ war, unser Volk je mehr und mehr durchdringen! Nachträglich wird bemerkt, daß zur Zeit die Einwohnerzahl betrug:

a) Beierfeld 1400
b) Obersachsenfeld 600
c) Neuwelt mit Untersachsenfeld 480
d) Wildenau 420

Die Schönschrift dieser Urkunde hat besorgt: Herr Clouth, Ingenieur auf Sachsenfelder Hüttenwerke.

Beierfeld, am Tage der Wiederaufsetzung des Turmknopfes, als am 3. Juli 1883.

Curt Bernhard Seidel, Pfarrer

In diesem Jahre wurde die alte Kirche, nachdem wir seit 1898 ein neues Gotteshaus besitzen zur Leichen- und Parentationshalle** umgebaut.

Die Christuskirche kurz nach ihrer Fertigstellung (Das Foto stammt aus dem Buch "Neue Sächsische Kirchengalerie Ephorie Schneeberg", Verlag von Arwed Strauch Leipzig 1902)
Die Christuskirche kurz nach ihrer Fertigstellung (Das Foto stammt aus dem Buch „Neue Sächsische Kirchengalerie Ephorie Schneeberg“, Verlag von Arwed Strauch Leipzig 1902)

Seit 1883 hat sich Manches hier verändert. Die Orte Wildenau und Neuwelt sind ausgepfarrt worden. Trotzdem ist die Seelenzahl der Parochie jetzt größer als 1883; circa 4000. Die Industrie hat sich seitdem mächtig gehoben und es ist viel gebaut worden. Ich, der Ortspfarrer Curt Bernhard Seidel wirke nun bald 27 Jahre hier und gedenke in 5 Jahren, so Gott will, in den Ruhestand zu treten. Der Kirchenbesuch ist hier gut. Möge es immer so bleiben, oder vielmehr möge es dann immer noch besser werden!

Beierfeld, den 21. August 1908.

Curt Bernhard Seidel, Pfarrer


Auf einem Bogen Papier ist zu lesen:

Am 22. August 1908 habe ich der Schieferdeckermeister Bernhard Klitzsch aus Beierfeld, geb. d. 6. April 1872 in Leuckersdorf bei Chemnitz z. Zt. In Beierfeld mit den Gehilfen dem Schieferdecker Fritz Gottesmann geb. d. 31.12.1880 in Wurzbach i. Thür. und dem Schieferdecker Hans Haderlein geb. 1890 ebendaselbst die Südseite der Kirche und die Nordseite des Turms sowie die Kuppel ganz umgedeckt.

Die Holmstange ist von dem Klempnermeister Wilhelm Baumann beschlagen worden. Die Maurer- und Zimmerarbeiten sind von dem Baumeister Emil Ficker aus Grünhain gleitet, und von dem Zimmermann Oswald Oeser, geb. 1852 in Chranzahl b. Annaberg ausgeführt worden. Schieferdeckerhandlanger war der 13 Jahre alte Sohn des Schieferdeckermstr. mit Namen Ernst Alfred.

In diesem Jahre war die Baulust eine sehr rege was wir überaus sehr notwendig hatten, natürlich waren die Preisse etwas gedrückt, weil alles in den Händen der Baumeister lag. Der Knopf ist am 20. August 1908 von mir abgenommen und am 21. wieder draufgemacht worden. Z. Zt. kostet 3 Kilo Brod 80 Pfg., ½ Kilo Fleisch 80 Pfg., ¼ Kilo Butter 68 Pfg.

So geschrieben am 21. August von Bernhard Klitzsch, Schieferdeckermeister zu Beierfeld bei Schwarzenberg.

Einwohnerzahl: 2850 Beierfeld, 1200 Obersachsenfeld


Auf 5 Blättern Reichswehrpapier steht:

Am 29. September 1930 wurden von dem Schieferdeckermeister Bernhard Klitzsch in Beierfeld und seinen Söhnen als Schieferdeckergesellen gelegentlich einer Turmdachreparatur der Knopf und die Stange mit Hahn und Stern abgenommen, in den Fabriken der Firmen Nier & Ehmer und Hermann Nier neu hergerichtet und beides nach Beendigung der Dacharbeiten am 3. Oktober 1930 wieder aufgerichtet.

Zu den in dieser Kapsel befindlichen Schriftstücken wurde diese Schrift hinzugefügt, um nachfolgenden Geschlechtern Kenntnis von den gegenwärtigen Verhältnissen in Beierfeld zu geben.

Zur Zeit umfasst das Kirchspiel Beierfeld nur noch den Ort Beierfeld selbst, nachdem als letztes der früher hierher eingepfarrten Dörfer am 1. Januar 1916 Obersachsenfeld ausgepfarrt und dem Schwarzenberger Kirchspiel zugeteilt worden ist. Trotzdem betrug die Einwohnerzahl von Beierfeld bei der letzten Volkszählung im Jahre 1925 immer noch 4443 Einwohner (davon 4221 Mitglieder der ev.-luth. Kirche), welche Zahl jetzt wohl 4500 wesentlich überschritten haben dürfte.

Bischof der ev.-luth. Landeskirche ist gegenwärtig Se. Magnificenz D. theol. Ludwig Ihmels, Dresden. Das Bezirkskirchenamt Schneeberg bilden die Herren Superintendent Nicolai in Schneeberg und Kirchenamtsrat Dr. jur. Hans Mosch in Zwickau.

Besitzer des Ritterguts Sachsenfeld und als solcher Patron der Kirche zu Beierfeld ist gegenwärtig der Stadtrat zu Schwarzenberg (Bürgermeister Dr. jur. Rietzsch).

Bürgermeister von Beierfeld ist seit 1913 Albert Andreas aus Oederan.
Pfarrer: Gustav Beyer aus Crimmitschau (seit 1916).
Kantor: Kurt Fuchs aus Zwickau (seit 1924), (Lehrer hier seit 1906).
Leiter des hiesigen Schulwesens: Schuldirektor Arthur Döhler aus Stangengrün (seit 1912). Zahl der Lehrkräfte an hiesiger Schule: 16. Zahl der Schulkinder: 514.

Den Kirchenvorstand bilden außer genanntem Pfarrer und Kantor die Herren: Fabrikbesitzer Gustav Stiehler (stellv. Vorsitzender), Fabrikbes. Ernst Nier, Fabrikbes. Diplomingenieur Bruno Nier, Metallwarenfabrikant Ernst Singer, Glasermeister Richard Häuser, Gemeindekasseninspektor Max Riedel, Klempner Emil Öser. Außer diesen Herren gehören noch der Kirchgemeindevertretung an: Kaufmann Paul Ficker, Kaufmann Emil Stiehler, Schmied Robert Rossner, Stanzmeister Julius Sandig, Klempnermeister Gustav Kästel, Fabrikbes. Emil Georgi, Klempner Max Landgraf.

Kirchenbuch-, Kirchenrechnungsführer ist der Kirchgemeindesekretär Georg Vitzethum aus Nürnberg (seit 1925).
Stellvertreter des Kantors: Oberlehrer und Kantor im Ruhestande Theodor Haustein (vorher Kantor hier gewesen von 1901–1924).
Kirchväter: Stanzmeister Julius Sandig und Klempner Emil Hecker
Friedhofmeister: Max Tippner aus Beierfeld
Kirchner und Glöckner: Klempner Kurt Stoll aus Beierfeld

Seit Abfassung der letzten hier beiliegenden Urkunde (1908) hat Beierfeld einen großen industriellen Aufschwung genommen, aber trotz der großen Heeresaufträge, die die Fabriken Tag und Nacht arbeiten ließen, während des Krieges mit dem ganzen Deutschland unter den unseligen Folgen gelitten.

Die Belegschaftsmitglieder der Frankonia AG sitzen im Hof auf Handgranatenkisten. 30.000 Stück wurden am Tag hergestellt.
Die Belegschaftsmitglieder der Frankonia AG sitzen im Hof auf Handgranatenkisten. 30.000 Stück wurden am Tag hergestellt.

114 Beierfelder erlitten den Heldentod für das Vaterland; viele kehrten mit erheblicher Schädigung ihrer Gesundheit aus dem langen Kriege oder der Gefangenschaft wieder heim; nur der Tapferkeit unserer braven Feldgrauen und gütiger Vorsehung Gottes war es zu danken, daß der Feind unsere Fluren nicht verheeren konnte, wie es draußen auf den Kriegsschauplätzen geschehen ist. Alles Nähere hat obengenannter Pfarrer ausführlich mit in seiner 1923 erschienenen „Geschichte von Beierfeld“ geschildert. Darum sei nur das Allerwichtigste noch erwähnt.

Auch die Kirche und das Pfarrlehn zu Beierfeld haben in der Inflation von 1921 bis 1923 ihre gesamten Barvermögen in Höhe von ca. 120.000 Mark bis auf einen geringen Rest verloren. In gegenwärtiger Zeit ist die wirtschaftliche Not besonders groß. Die Fabriken arbeiten meist nicht voll. Die große Fabrik Frankonia Akt. Gesellschaft liegt schon seit 3 Jahren, die frühere Goßweiler’sche Fabrik auf dem Grundstück der Silberhoffnung seit noch längerer Zeit still. Hunderte von Einwohnern sind arbeitslos. In ganz Deutschland zählen die Erwerbslosen schon rund 3 Millionen, und kein Mensch weiß, wie diese grässliche Not noch enden soll.

Die größte Fabrik ist hier jetzt die Firma Hermann Nier, die bis vor kurzem noch 1400 Arbeiter beschäftigt und täglich über 40.000 Stück Sturmlaternen hergestellt hat. Mehrere Hunderte von Arbeitern beschäftigen die Firmen Nier & Ehmer (Herstellung von Fahrrad- und Autobeleuchtungen, Fahrradfelgen, Grammophone), Hutzler und Pretsfelder Akt. Gesellschaft (Haus- und Küchengeräte, Lackier- und Aluminiumwaren), Fröhlich und Wolter (Sturmlaternen und Wirtschaftsartikel), August Zschiedrich (Haus- und Küchengeräte). Dann folgen zahlreiche kleinere Betriebe, von denen aber viele mangels an Aufträgen stilliegen.

Die Firma Hermann Nier Feuerhandwerk nach 1918 von der Heinrich-Heine-Straße aus gesehen
Die Firma Hermann Nier Feuerhandwerk nach 1918 von der Heinrich-Heine-Straße aus gesehen
Das große Fabrikgebäude der Firma Nier & Ehmer nach 1927
Das große Fabrikgebäude der Firma Nier & Ehmer nach 1927

Dank der neu eingerichteten Postautolinien Schwarzenberg-Grünhain und Beierfeld-Aue, die sich beide gut rentieren, ist unser Ort noch besser als bisher dem allgemeinen Verkehr angeschlossen worden.

Der erste Personenkraftwagen der Linie Schwarzenberg-Grünhain vor dem Gaswerk
Der erste Personenkraftwagen der Linie Schwarzenberg-Grünhain vor dem Gaswerk

Aus dem kirchlichen Leben ist seit 1908 folgendes zu melden: 1916 völliger Umbau des Pfarrhauses mit Einbau eines Pfarrsaales (Kosten: 26.500 Mark).

Das Pfarrhaus neben der Peter-Pauls-Kirche
Das Pfarrhaus neben der Peter-Pauls-Kirche

1918 Ersetzung der im Kriege geopferten Bronzeglocken durch ein Klangstahlgeläute, das erste innerhalb der ganzen Kreishauptmannschaft Zwickau.

Glockenweihe am 10. März 1918
Glockenweihe am 10. März 1918
Glockenweihe am 10. März 1918
Glockenweihe am 10. März 1918

1918 Errichtung der Arthur Nier-Gedächtnisstiftung (Kosten: 20.000 Mark) durch Fabrikbesitzer Ernst Nier zum Gedächtnis an seinen 1914 gefallenen Sohn, Reserveleutnant Arthur Nier und zur Errichtung eines Ehrenhains zum Gedächtnis an die Gefallenen. Dieser Ehrenhain wurde zugleich mit als Heldenhainfriedhof 1926 von der Kirchgemeinde angelegt (Kosten: 32.500 Mark). Im Jahre 1927 wurde das Ehrenmal erbaut, in der Hauptsache gestiftet von den Inhabern der Firma Hermann Nier, die Ehrentafeln aus dem Erträgnis aus der Sammlung der Gemeinde und einer Stiftung vom Fabrikbesitzer Ernst Georgi Senior (Kosten: 25.000 Mark).

Ehrenmal für die Gefallenen des 1. Weltkrieges
Ehrenmal für die Gefallenen des 1. Weltkrieges

1921 und 1924 Erneuerung und Erweiterung der Orgel in der Christuskirche durch eine Spende der Industriellen von Beierfeld und 2 Stiftungen von den Fabrikbesitzern Bruno Nier und Otto Schürer.

Einige Legatstiftungen von Hermann Nier: 1.000 Mark (1914) und 20.000 Mark (1921) und Gustav Stiehler: 60.000 Mark (1923) sind leider zum größten Teil der Inflation verfallen.

Zur Verschönerung des Gotteshauses stifteten Leuchter die Familien Emil Stiehler und Emil Georgi, den kostbaren Altarplatzbelag die Familien Ewald Pross und Ella verw. Adolph geborene Nier.

In den Jahren nach der Revolution, wo eine kirchenfeindliche Regierung in Sachsen der Kirche alle Existenzmittel widerrechtlich verweigerte, haben die Firmen Hermann Nier und Nier & Ehmer alle Bauarbeiten an Kirche und Pfarre auf eigene Kosten vornehmen lassen. Die Firma Hermann Nier hat auch eine ganze Zeit lang hindurch den Pfarrer einen wesentlichen Teil seines Gehalts aus eigenen Mitteln gezahlt. Alles in allem viel erfreuliche Beweise regen kirchlichen Sinnes, die der Nachwelt zur Beherzigung dienen mögen.

In religiöser Hinsicht darf von einem erheblichen Teil der Einwohnerschaft gesagt werden, daß er sich noch immer treu zu seiner ev.-luth. Kirche hält; aber es gibt auch Scharen von Gleichgültigen und etliche von den verschiedenen Sekten, die jetzt ihr Werk frei treiben dürfen, Verführte. Gottlob sind aber trotz aller Bemühungen der kirchenfeindlichen politischen Parteien und Sekten in Beierfeld nur erst sehr wenige aus der Kirche ausgetreten. Um so mehr gilt es, durch unermüdliche Predigt des göttlichen Wortes und Seelsorge das Reich Gottes zu bauen. Möge der Segen des Höchsten über unserem lieben Beierfeld und dem ganzen deutschen Volke und Vaterland walten und durch die schwere Gegenwart recht bald wieder einer besseren Zukunft entgegenführen. Möge die Predigt des göttlichen Wortes auch fernerhin als Quelle der Kraft und des Trosts für alle suchenden Seelen erhalten bleiben!

Beierfeld, den 3. Oktober 1930 – G. B. Pfarrer


Ergänzende Eintragungen von Schieferdeckermeister Bernhard Klitzsch auf der Rückseite des Dokumentes von 1908:

Am 28. September d. J. 1930 wurden abermals die Turm und Dachflächen unserer Peter-Pauls-Kirche einer größeren Reparatur unterzogen, es wurde jedoch der Turm nicht voll eingerüstet wie es im Jahr 1908 erfolgte, sondern es wurden die Arbeiten auf dem Fahrzeug ausgeführt.

Die schwierigsten Arbeiten wurden von meinen Söhnen Ernst Alfred welcher jetzt 35 Jahre alt und im großen Weltkrieg Gott sei’s gedankt leicht verwundet wurde sowie meinen zweiten Sohn Herbert jetzt 23 Jahre alt ausgeführt.

Meine Familie besteht aus Frau und 10 Kindern, welche sich alle Gott sei Dank einer guten Gesundheit erfreuen, leider jedoch in den schlimmen Kriegs- und Nachkriegsjahren viel zu leiden hatten, da ich selbst im Jahre 1917 zum Heere noch eingezogen wurde und folglich das Geschäft vollständig brach darnieder lag und es später wieder langsam hoch gebracht werden mußte. Diese meine 10 Kinder, es sind 6 Mädchen und 4 Söhne, diese 4 Söhne haben alle das Schieferdeckergewerbe erlernt und bei dieser Reparatur mit beschäftigt gewesen.

Da nun die Kirche noch keine Blitzableiter hatte sondern nur mit einer massiven Fangstange versehen war, sah sich der Kirchenvorstand genötigt, eine der Neuzeit entsprechende Blitzschutzanlage anbringen zu lassen und wurde dieselbe ebenfalls von meinem Sohn Rudi, 21 Jahre alt und zu diesem Zwecke die Ingenieurschule zu Bad Sulza i. Thür. besucht hatte, ausgeführt. Der Turmknopf und Fangstange wurden, nachdem neurenoviert von meinem jüngsten Sohn Willy 19 Jahre alt am 3. Oktober 1930 aufgebracht und somit die Turmarbeiten beendet.

So geschrieben am 3. Oktober 1930 von Bernh. Klitzsch Schieferdeckermstr., 57 Jahre.


Mit dem Mittagsleuten wurde am Dienstag, dem 17. Juni 1997, die altehrwürdige Peter-Pauls-Kirche mit einem Kostenaufwand von 15.000 DM neu gekrönt. Im Rahmen der laufenden Sanierungsmaßnahmen wurden Schäden festgestellt, so dass auch der Turm zum Großteil erneuert werden musste.

Bei einer kleinen Feierstunde dankte Pfarrer Andreas Richter und Bürgermeister Joachim Rudler den anwesenden Handwerkern, Kirchenvorstandsmitgliedern, Fördervereinsmitgliedern und Bürgerinnen und Bürgern für die bisher geleistete Arbeit.

Schon am 13. Mai 1997 wurden vom Klempnermeister Klinder und Dachdeckermeister Voigt die Turmkugel und die Stange mit Hahn von der alten Kirche abgenommen. Die Schriften in der Kapsel befanden sich in einem erstaunlich guten Zustand und wurden am 17. Juni 1997, mit Beigabe weiterer Dokumente in die von Herrn Klinder neugefertigte Kugel eingelegt. Anschließend erhielt unsere alte Kirche wieder ihre Bekrönung mit Kugel und Wetterhahn, der von der Firma Schürer neu hergestellt wurde.

Da der Inhalt der 1997 in die Kapsel neu eingelegten Schriftstücke bereits in den Spiegelwaldboten Nr.: 7 – 10/1998 veröffentlicht wurde, möchte ich hier die Artikelreihe zu den Urkunden aus dem Knopf der Peter Paulskirche beschließen.

Quellen:
Die Heimat, Nr. 10 vom 15. Oktober 1930
Die Heimat, Nr. 1 vom 15. Januar 1931
Dokumente im Turmknopf